von Armin
Alles fing damit an, dass wir uns ein Paket zur Tourismus-Info in Manta Rota haben schicken lassen. Als ich ein paar Tage nach der Bestellung mal nachfragen wollte, ob es schon angekommen ist, kam ich mit Neusa ins Gespräch. Sie erzählte mir vom CIIPC, einem Verein der sich dem Erhalt und der Wiederbelebung des traditionellen Handwerkes und der alten Bräuche in der Umgebung von Casela Velha verschrieben hat und dass der Verein im April einen Handwerksmarkt veranstaltet. Irgendwann kam dann die Idee auf, dass wir dort auch teilnehmen könnten. Als ich wieder zurück zum Mobil radelte, hatte ich zwar kein Päckchen, dafür aber eine Menge Informationen und den Kontakt zum CIIPC (Centro de Investigação e Informação do Património de Cacela) in Santa Rita.
Die Idee, unsere Sachen mal auf einem Markt zu präsentieren, hatten wir ja schon öfter, nun bot sich die Gelegenheit, es mal in die Tat umzusetzen.
Gleich am nächsten Tag haben wir uns die Fahrräder geschnappt und sind nach Santa Rita (s.h. Blog). Dort in der alten Grundschule (Antiga Escola Primária de Santa Rita) hat der Verein CIIPC seinen Sitz und eine Ausstellung über das alte Handwerk der Region.
Als wir nach einer guten Stunde wieder in die Pedale treten, haben wir eine Einladung zur Teilnahme am Frühlingsmarkt (Mercadinho da primavera) und einen Makraméworkshop gebucht.
So fing unser kleines "Abenteuer Markt" in der Algarve an.
Gestern hatten wir unseren letzten Markttag in Sao Bras de Alportel und nun möchte ich euch ein wenig von dieser Erfahrung erzählen.
Formalitäten
Als erstes stellte sich uns die Frage, ob wir irgendeine Berechtigung brauchen, um auf Märkten zu verkaufen, also sind wir zur Camara Municipal in Vila Real de Santo Antonio. Dort hat man uns wieder an einen Verein verwiesen, der den Markt in VilaRdSA organisiert. Die nette Dame konnte uns in der Frage auch nicht wirklich weiterhelfen, hat uns aber eingeladen, am nächsten Markt teilzunehmen, bzw. morgens um 9 Uhr am Platz zu sein und ihr unsere Sachen zu zeigen. Dann würde sie entscheiden, ob sie einen Tisch für uns hat. Hatte sie dann auch (s.h. Blog). Als wir nirgends so wirklich klare Infos bezüglich der Legalisierung von "auf einem Markt verkaufen" bekommen konnten, sind wir einfach zum Finanzamt in VilaRdSA und haben dort gefragt. Die Dame hat sich unser Anliegen sehr geduldig angehört (auf englisch) und uns dann erst mal eine Steuernummer gegeben, die braucht man in Portugal eh für alles. Man bekommt sie ganz einfach und unkompilziert direkt im Office einer der "Financas" (fast in jeder Stadt), dazu benötigt man eine Adresse, die aber nicht in Portugal sein muss. Nach einer guten Stunde hatte ich die NIF (Steuernummer) und einen Gewerbeschein für Marktverkauf in der Tasche. Wie warum weshalb das funktioniert hat, wissen wir bis heute nicht so genau. Fehlte nur noch ein Rechnungsblock. Einfach in den nächsten Bürowarenladen oder ähnliches spazieren und einen Blanko-Rechnungsblock kaufen? Tja, so einfach war´s dann doch nicht. Bekommen haben wir zwar einen, der sich am Ende als ein Lieferscheinblock entpuppte. (Tja, so ist das halt, wenn man die Landessprache nicht kann. In Portugal sprechen eh sehr viele englisch, aber eben nicht alle und das kann und sollte man ja auch nicht voraussetzen, wenn man in ein fremdes Land kommt. Wir bemühen uns ja auch und versuchen es immer erstmal mit portugiesisch, mit so spezifischen Begriffen wird die Verständigung aber dann doch schwierig. Irgendwann bekamen wir dann die Info, dass man in Portugal einen Rechnungsblock bei einer Druckerei drucken lassen muss, fix und fertig mit Namen usw. inklusive Meldung ans Finanzamt.
Hat einige Zeit gedauert bis wir alles zusammen hatten, aber das lag hauptsächlich an uns und unseren Sprachunkenntnissen bzw. der Weigerung zu einem deutschsprachigen Steuerberater zu gehen und sich dort für 200€ plus alles erklären und machen zu lassen.
Rückblickend hätten wir uns das alles sparen können, da auf den kleinen Märkten, auf denen wir waren, selten bis nie kontrolliert wird. Bei größeren - z.B. beim Festival do Contrabando in Alcutim, wo wir als Besucher waren - ist das aber anders, da haben wir die Kontrollen direkt miterlebt, und gleich einen der Kontrolleure gelöchert für Infos! Wir mögen es eben gar nicht mit der Befürchtung im Nacken es könnte ... und dann ...
Villa Real de Santo Antonio
mit Wetterkapriolen
Jeden 2. und 4. Samstag im Monat
Der Markt ist bestens ausgestattet mit einheitlichen Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen, letztere nicht ganz windfest, perfekt also für unseren ersten Versuch, bis auf das Wetter an diesem Tag... (Teilnahmegebühr € 1,-)
Santa Rita
mit Maios, die uns zusehen...
Mini-Markt in süßem Mini-Dorf, als "Rahmenprogramm" für die Maios, sehr nett und gemütlich. Mit der Ausstattung hatten wir was nicht richtig mitbekommen - alles da außer Sonnenschirme! Wir sollten uns auf jeden Fall einen besorgen - in Casela muss man nämlich alles selber mitbringen! Neu sind die handbemalten Präsentationstafeln für unsere Schmuckanhänger, auch noch nicht ganz windfest! ;-)
Villa Real de Santo Antonio - 2. Versuch
professionell ausgestattet, mit Potenzial
Diesmal bei bestem Marktwetter (nicht zu heiß, keine Regenschauer und Windstöße zwischendurch), dieser Mercadinho Artesanato am Hauptplatz der Altstadt ist recht groß und findet zwei Mal pro Monat statt. Da kommen schon ein paar Leute vorbei, auch Touristen, die wohl eher unsere Kunden sein dürften...
Mercadinho do Primavera - Casela Velha
malerische Kulisse mit Ausblick
Jährlich im Frühjahr wird dieser Markt organisiert (im Herbst gibt es auch einen - vielleicht sind wir dann ja schon wieder da?). Das alte Dörfchen bietet eine tolle Kulisse und ist bei Markt´lern sehr beliebt, wie uns einige erzählt haben. Hauptsächlich wegen der wunderbaren Atmosphäre hier, na ja, ein paar Besucher kommen schon auch! ;-)
Danke für den für uns perfekten Platz - so ziemlich der einzige übrigens, an dem der nachmittags aufkommende Wind nicht freies Spiel hatte, nicht ganz unwesentlich für uns, wir hätten da ja einiges an Windspielen im Angebot!
Hier muss man für die Ausrüstung selbst sorgen, wir haben improvisiert, mit dem was wir so hatten...
(Teilnahmegebühr € 3,-)
Mercadinho Intercultural - Sao Brás de Alportel
klein, herzlich, bunt
Eine Initiative der Associacao für Integration mit vielen Beiträgen von Menschen, die hier leben und Einblicke in deren Kultur boten. Wir wurden eingeladen, nachdem wir uns für den Kunsthandwerksmarkt am nächsten Tag angemeldet hatten. Ein unterhaltsamer Vormittag vor der Markthalle der Stadt, supernette und engagierte Organisatorinnen und schönes Programm, für das wir den Logenplatz hatten.
(Teilnahmegebühr: keine - plus ein herzliches Obrigado von Organisatorin und Vizebürgermeisterin + ein Certificado :-)
Mercadinho artisanato - Sao Brás de Alportel
ein Platz im Grünen
Der Flohmarkt in den Straßen nebenan ist definitiv größer, dafür wurde dem Kunsthandwerksmarkt (jeden 3. Sonntag im Monat) ein schöner Platz zugeteilt, der Jardim Carrera Viegas. Hier haben wir unsere neuen Tische getestet. Kein Besucheransturm, wenige Touristen, dafür eine herzliche Aufnahme durch die anderen KunsthandwerkerInnen, die hier regelmäßig vertreten sind. Danke dafür, und für die netten Gespräche. Außerdem haben wir einen in der Nähe ansässigen Händler für Schmucksteine kennen gelernt... davon könnten wir demnächst mehr brauchen...
Teilnahmegebühr 30 Cent pro Laufmeter ;-)
Ausrüstung
Wie gesagt sehr unterschiedlich, manche stellen Tische und Stühle zur Verfügung, bei anderen muss man alles selber mitbringen. Für uns war das mit der Ausrüstung bisher immer ein Argument gegen die Teilnahme auf Märkten. "Wir haben doch keinen Platz!!!" Und es stimmt schon, in einem Wohnmobil ist das eben immer ein Thema und wir sowieso am Limit, weil wir ja ohnehin schon so viel Handwerkszeug dabei haben. Ok, einen kleinen Klapptisch haben wir ja als Grundausstattung in der Garage. Der reicht für mal da mal dort ein kleines Märktchen.
Allerdings: Wir glauben an Zeichen! Diese superpraktischen Tische haben wir in Casela Velha bei einem Aussteller gesehen, leicht und kompakt, gut auch zu Fuß zu transportieren. "Wo habt ihr die her?" - Aha, der Discounter mit "L", den gibt es hier natürlich auch. Ist aber schon eine Weile her. Tja...
Drei Tage später beim Konkurrenten - dem mit dem "A": Na so was! Da sind sie ja, zumindest sehr ähnliche! - Zeichen?
Ein Zeichen, dass wir uns in Zukunft öfter auf Märkten die Zeit vertreiben? Wir ergreifen die Gelegenheit, auch wenn uns noch nicht so ganz klar ist, wo wir die gut unterbringen können!!
P.S. Die Tische kann man natürlich auch anderweitig nutzen, vielleicht mal für eine Stellplatz-Party? ;-)
Anmeldung und Teilnahmegebühren
Für so kurz entschlossene wie uns ist es natürlich sehr günstig, wenn man sich nicht Monate im Voraus für einen Markt anmelden muss. Das gilt vor allem für große Events und Feiras, aber auch für besonders beliebte (weil wohl auch lukrative) Marktorte wie Loulé, wo eine Teilnahme für die im April startenden Kunsthandwerkermärkte nicht mehr möglich war. In den kleineren Orten hingegen genügt es oft, einfach per Mail eine Anfrage zu stellen, mit einer Auswahl an Fotos von den Produkten, die man anbieten möchte. Die Organisatoren (häufig die Camera municipal) entscheiden aber nicht nur nach Eingang der Anmeldung sondern auch nach dem Angebot, um zu vermeiden, dass viele die gleichen Produkte anbieten.
Was die Teilnahmegebühren betrifft: die bewegen sich bei kleinen Märkten zwischen Beträgen im Centbereich und ein paar Euros. Einer der teureren wäre zum Beispiel das 4-tägige Festival Islamico in Mertola, wo man auch schon mal
€ 300,- für einen Standplatz bezahlt.
Fazit
Wie sieht nun unser Fazit aus?
Bei einer rein ökonomischen Betrachtung müssten wir sagen: "Außer Spesen nix gewesen", wobei die Spesen wie gesagt doch sehr gering waren. Die Einnahmen aus den Verkäufen haben für ein paar meia leite com bolo (Kaffee und Küchelchen) gereicht, und für die Anschaffung unseres neuen Markttisches. Also war das ganze ein Misserfolg!?
Ganz klar nein!
Einerseits konnten wir mit geringen Investitionen unsere ersten Markterfahrungen machen und haben ein Gefühl dafür bekommen, ob es uns gefallen könnte, das weiter auszubauen.
Andererseits war es unsere Eintrittskarte ins portugiesische Leben.
Was wir vor allem mitnehmen sind die Begegnungen mit den Menschen, die wir in dieser Zeit kennengelernt haben.
Wir sind unglaublich dankbar dafür, auf welche wunderbare Art und Weise wir empfangen wurden.
Ganz besonders ins Herz geschlossen haben wir Catarina, Susana und Patrizia vom CIIPC, drei Frauen, die sich mit unglaublich viel Freude und Engagement dem Ziel verschrieben haben, das kulturelle Erbe und das aktuelle kulturelle Leben in der Region zu fördern. Mit ihrem Tun haben sie es geschafft, die Bewohner dieser zwei kleinen Dörfer, Santa Rita und Cacela Velha wieder ein Stück näher zusammen zu bringen. Sie haben uns mit offen Armen und Herzen empfangen und unterstützt, z.B. mit dem für uns perfekten Platz am Markt von Cacele Velha. Immerhin waren wir ja lediglich irgendwelche Fremde, die da eines Tages bei ihnen reingeschneit kamen. Anette, zu ihr später, meinte, es wäre schon eine besondere Auszeichnung diesen Platz zu bekommen, es hätte ja auch einer irgendwo am Rand sein können.
Mit ihnen den Makramé-Workshop, den kleinen Markt in Santa Rita (s.h. Blog) und den Frühlingsmarkt in Cacele Velha zu machen, hat uns viel Freude bereitet und wir konnten so ein wenig in das reale Leben in Portugal eintauchen.
Danke Catarina, Susana und Patricia! Wir freuen uns auf ein Wiedersehen.
Aber da waren auch die kleinen kurzen Begegnungen, die uns geschenkt wurden. Die schon erwähnte so freundliche und geduldige Dame vom Finanzamt oder eben jene, die uns den ersten und später einen weiteren Markttag in VilaRdSA ermöglicht hat. Und der Inhaber der Druckerei, bei dem wir Freitag Vormittag reingeschneit kamen und einen Rechnungsblock wollten. Er hat uns erst erklärt, dass das bis Montag dauert und es mindestens 3 Blöcke sein müssen und als er merkte, dass wir eigentlich nur einen brauchen und den schon für's Wochenende, hat er uns sehr entgegenkommend bis zum Nachmittag zwei gemacht.
Die liebevolle Annette (Azulejosannette) mit ihren wunderschönen bunten Azulejos, welche wir am Mercadinho in Santa Rita kennen lernen durften und in Cacela Velha wieder getroffen haben.
Der Belgier, vor vielen Jahren ausgewandert nach Santa Rita, der zu uns an den Stand kam und sich auf einen Schnack zu mir gesetzt hat. Er hat mir vom Leben in Portugal erzählt, während dessen Frau Sabine ihr kleines Häuschen gezeigt hat.
Catarina (Eliqxir) mit ihrem freudigen Temperament, die neben uns am zweiten Markt in VilaRdSA stand und am nächsten Tag in Casela Velha.
Ganz besonders war auch die Begegnung mit Afonso am Markt in Cacela Velha, der transportable Webstühle herstellt und auf meine Frage hin, ob er eine Werkstatt mit Standbohrmaschine besitzt (bräuchte zum Drahtbiegen ein Werkzeug mit exakten graden Bohrungen) uns ohne eine Sekunde zu zögern zu sich eingeladen hat. Wir haben dann zwei Tage später einen sehr schönen Nachmittag bei ihm verbracht, viel geredet, Löcher gebohrt und weitere Einblicke in das portugiesische Leben aus der Perspektive der Einheimischen gewonnen. Danke für die Gastfreundschaft!
Am letzten Wochenende wieder eine neue Stadt, Sao Bras de Alportel, zwei neue Märkte und wieder wurden wir mit großer Herzlichkeit von drei Frauen (Carmen, Suzel und Annabell) empfangen und unterstützt.
All diese Menschen haben einfach so, nur weil wir mal eben in ihrem Leben aufgetaucht sind, ihre Arme und Herzen geöffnet und uns willkommen geheißen.
Ist unser Projekt "Markt-Tage an der Algarve" nun gescheitert oder war es doch eher ein wunderbares Erfolgserlebnis?!
Zugegeben, auch uns fällt es nicht immer leicht, unser Tun nicht am finanziellen Erfolg zu messen und wir tun das alles ja nicht nur aus reinen Vergnügen, wir wollen und sollten auch etwas verdienen, allerdings...
Wer weiß schon welche Türen sich in dieser Zeit geöffnet haben ...
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Isa Steff (Montag, 27 Mai 2019 20:04)
Sehr schön erzählt.,;)
lassdraussenspielen (Mittwoch, 29 Mai 2019 16:19)
Endlich kam ich heute dazu den Blog zu lesen. Sehr schön geschrieben mit so vielen tollen Details! Danke für das Teilen Eurer Erfahrungen.
Als erfahrene Marktkerin schätze ich natürlich den Taler in meiner Hand mehr, als den im Portemonnaie der Besucher. Aber solch Erfahrungen zu machen ist ja auch unbezahlbar und wer weiss wohin euch die tollen neuen Bekanntschaften noch führen.